Sonntag, 13. Februar 2011

Allahs ist nicht der Okzident!

11. September 2001 - ich war gerade dabei, einen normalen Arbeitstag bei SAP in Walldorf zu beenden. Auf dem Weg nach Hause fiel mein Blick auf den grossen, am Haupteingang angebrachten Monitor, über den normalerweise SAP-Infos und Marketingfilme ausgestrahlt wurden. An diesem Abend zeigte er in einer Sondersendung die schockierenden Bilder von den im Namen Allahs verübten Mordtaten. Eine Traube von Kollegen hatte sich schon darum gebildet, die kopfschüttelnd und sichtlich entsetzt die Bilder verfolgten. Auch ich war fassungslos. Für mich war dieser Tag ein Wendepunkt und eine grausame Offenbarung. Ich fühlte, wie ich innerlich Partei nahm. Alle Differenzen, die es im Westen gibt, sei es zwischen Konservativen und Liberalen, zwischen Bürgerlichen, Sozialisten oder Kommunisten, sei es zwischen Christen und Juden, Agnostikern und Atheisten, all diese Differenzen wurden plötzlich unbedeutend angesichts des Krieges der Barbarei gegen die Zivilisation (Wafa Sultan) [1], der sich hier manifestierte. Alle Unvollkommenheiten oder Ungerechtigkeiten der westlichen Systeme wurden klein und unwichtig angesichts dieses Einbruchs der rohen Gewalt.

Die Somalierin Ayaan Hirsi Ali war genauso entsetzt und fassungslos wie viele im Westen aufgewachsene Menschen. Sie war damals noch gläubige Muslimin. Wieder und wieder las sie die Argumente Osama bin Ladens, mit denen dieser die Taten rechtfertigte. Sie prüfte die Koranstellen und stellte fest, dass bin Ladens Argumente schlüssig waren: Der Koran verlangt wirklich die Tötung Ungläubiger, und aus diesem Tötungsgebot ließ sich das Attentat auf das WTC durchaus rechtfertigen.[2] Damit stand ihre Entscheidung fest, dass sie dem Islam den Rücken kehren musste. Auch für sie war dieser Tag demnach ein Wendepunkt. Sie schreibt, dass es ihr nicht leicht fiel, sich von der Angst vor Höllenstrafen loszusagen. Noch lange nach ihrer Abwendung vom muslimischen Glauben ertappte sie sich bei Schuldgefühlen vor Allah. Im Ganzen ist ihre Bilanz aber positiv - sie konnte endlich in einer zivilisierten Gesellschaft ihren Drang nach Freiheit leben. Noch schöner wäre es natürlich, wenn sie dies nicht unter ständigem Polizeischutz tun müsste, denn aus den Reihen ihrer früheren Glaubensgemeinschaft droht man ihr mit Mord – wie jeder "Apostat" (dramatisierend für: Ausgetretene) nach islamischem Recht des Todes ist: Und wenn sie sich abwenden, dann greift sie und tötet sie, wo immer ihr sie findet, und nehmt euch niemand von ihnen zum Freund oder Helfer! (Sure 4,89 - mehr dazu unter [3]). Die Polizei fand einen Zettel mit einer gegen Ayaan Hirsi Ali gerichteten Morddrohung auf dem Leichnam des von einem Muslim ermordeten holländischen Regisseurs Theo van Gogh (mit dem zusammen sie einen islamkritischen Film gedreht hatte). Seine Tat selbst hatte der Mörder aus der Sure 5,33 abgeleitet: Siehe, der Lohn derer, welche Allah und seinen Gesandten befehden und Verderben auf der Erde betreiben, ist nur der, dass sie getötet oder gekreuzigt oder an den Händen und Füßen wechselseitig verstümmelt oder aus dem Lande vertrieben werden. Das ist ihr Lohn hienieden, und im Jenseits wird ihnen schmerzliche Strafe.[4]

Die Todesdrohung gegen Menschen, die sich vom Islam lossagen, wird nämlich nicht nur gegen prominente Islamkritiker wie Ayaan Hirsi Ali ausgesprochen; auch ist sie keineswegs ein altertümliches Relikt, das nur noch in einigen fernen barbarischen Gesellschaften praktiziert wird. Wir können uns mit keinen Ausreden vor der harten Tatsache schützen, dass die Todesdrohung gegen "Apostaten" inmitten unserer westlichen Gesellschaften lebendig und wirksam ist, wie es zum Beispiel André Glasmacher über in Berlin lebende, zum Christentum konvertierte Iraner und Türken berichtet: Diese Christen müssen entgegen der staatlich zugesicherten Religionsfreiheit ihren Glauben im Verborgenen leben (ähnlich den Urchristen Roms, die sich in den Katakomben trafen) um sich vor ihren ehemaligen muslimischen Glaubensgenossen zu schützen.[5]

Ayaan Hirsi Alis beeindruckendes Buch Ich bin eine Nomadin [2] gibt Zeugnis vom Leben und vom Freiheitsdurst einer Persönlichkeit, die in den sogenannten "Werten der Aufklärung" eine persönliche und politische Heimat gefunden hat. Eindringlich appelliert sie an die Menschen im Westen, nicht leichtfertig das preiszugeben, was für unter der Scharia lebende Menschen meist unerreichbar sind – etwa die Religionsfreiheit (inclusive der Freiheit, sich von der Religion abzuwenden, in die man hineingeboren ist), die freie Meinungsäusserung, den Grundsatz der Gleichbehandlung vor dem Gesetz, das aktive und passive Wahlrecht. Der Westen sei in Gefahr, durch Gewöhnung nicht mehr wahrnehmen, was er an diesen Garantien eigentlich habe. Ihr Buch ist aber auch als Denkanstoss an die im Westen lebenden Muslime gerichtet, deren Probleme sie aus erster Hand kennt. Das Hauptproblem sei demnach eine maßlose fatalistische Inschallah-Mentalität ("so Allah will"), die  mitmangelnder Eigenverantwortung einhergehe, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Statt das Leben mit all den Chancen, die es bietet, aktiv zu ergreifen und die eigene Freiheit zu leben, herrsche eine Versorgungs- und Opfermentalität; es werde ein bequemes generelles Beleidigtsein gepflegt, und die fremden Freiheiten würden vor allem dazu genutzt, Sonderrechte für Muslime einzufordern. Einwanderern aus islamischen Ländern machen laut Ayaan Hirsi Ali vor allem drei Problemfelder zu schaffen: Geld, Sexualität und Gewalt. In allen drei Bereichen werden auf eine anachronistische und mittlerweile oft selbstzerstörerische Weise Normen der Herkunftsländer gelebt - häufig verbunden mit einer Verachtung der Gastländer: Es war und ist in der islamischen Welt üblich, auf die "Dhimmis", d.h. Christen, Juden und Zoroastrier als Bürger zweiter Klasse herabzuschauen, zu deren Pflichten es gehört, z.B. durch hohe Steuerabgaben, den Muslimen einen höheren Lebensstandard zu ermöglichen.[5a] Ayaan Hirsi Ali fordert die Muslime auf, sich von dieser simplen, aber eingefleischten Mentalität zu trennen, den Westen nicht mehr als Dar al-Harb (Haus des Krieges) zu betrachten und als Wohnung der Kuffar (Ungläubigen) geringzuschätzen, sondern Freiheitsrechte als einen elementaren Grundbestandteil einer modernen Gesellschaft und als Aufforderung an jeden hier lebenden Menschen zu betrachten – es gelte das ungeheure Potential zu entdecken, das eine freie Gesellschaft für die Entwicklung jedes einzelnen bereithält.

Besonders beeindruckend fand ich die Leserbriefe, die Ayaan Hirsi Ali von hier lebenden Muslimen und Musliminnen erhält, wie zum Beispiel den folgenden [6, Hervorhebung von mir]:

Eine Frau aus dem Sudan, die in Virginia lebt, schickte mir eine E-Mail: "Ich dachte, als muslimische Frau ist es meine Pflicht, Ihr Buch zu hassen, doch dann habe ich es gelesen und mich mit Ihnen identifiziert. Jedes Gefühl, das Sie in diesem Buch in Worte zu fassen suchten, habe auch ich schon erlebt. Jeden geistigen Konflikt, den Sie mit sich austrugen, habe auch ich schon gespürt... Ich merke, dass ich den Islam verstehen will und es einfach nicht kann. Was hat der Islam an sich, dass er für meine Eltern so verlockend und pefekt ist, für mich aber so falsch erscheint? ... Ich verurteile den Islam nicht, weil ich glaube, dass er eine gewisse Wahrheit in sich birgt – und wenn ich ihn verurteilen würde, wohin sollte ich dann gehen?"


Das wirft ein Licht auf einen geistigen Gärungs- und Umdenkprozess, der sicher schon bei vielen hier lebenden Muslimen im Gange ist. Die hervorgehobene Stelle zeigt nebenbei die Situation der Erpressung durch die Verhältnisse, in denen die Muslimin lebt: So strafbewehrt wie der Glaubensabfall in ihrem sozialen System ist, würde es einen ungeheuren Ruck erfordern, sich vom Islam loszusagen – denn dieser Schritt bedeutet, alle bestehenden Sicherheiten des Lebens zu verlieren: von der eigenen Familie, insbesondere den Kindern entfremdet zu werden und darüberhinaus für seine Existenz selbst sorgen zu müssen. Da ist es verständlich, wie wenige sich zu dem aufraffen, was sie mit der Vernunft bereits als den besseren Weg erkennen.-

Auf viele Menschen wirkte der Anschlag vom 11. September 2001 so wie auf Ayaan Hirsi Ali: als ein Augenöffner über die wahre, unverhüllte Natur des Islam, über seinen totalitäten politischen Kern. Leider muss ich auch über eine andere Form der Reaktion reden: Die Leichen des Anschlags waren noch nicht kalt, da versuchte man schon, den Islam als Souffleur dieser Morde aus der Schusslinie zu nehmen, zu verschweigen, zu verharmlosen, ja die Akteure selbst als Opfer darzustellen. Da hiess es etwa: Die USA seien aufgrund ihrere Aussenpolitik, zum Beispiel ihrer Israel- und Afghanistanpolitik, selbst schuld an dieser Tat. Man müsse Verständnis mit den Tätern haben, die in einer Notlage radikalen Elementen auf den Leim gegangen seien. Oder, besonders in Europa beliebt: Diese Morde seien einer fehlgegangenen, nicht fürsorglich genug durchgeführten Integrationspolitik zuzuschreiben. All dies sind aber, nüchtern betrachtet, nichts als Verdrehungen der tatsächlichen Verhältnisse – nach dem Motto: Nicht der Mörder, sondern der Ermordete ist schuld!

Die Entschuldigung der Täter, das Verschweigen der von diesen selbst angeführten Motive, die Beschwichtigungsformeln, die Ablenkung von den tatsächlichen Verhältnissen, sind psychologisch verständlich. Sie erklären sich durch einen Mechanismus, den die Psychologen als Identifikation mit dem Aggressor oder als Stockholm-Syndrom bezeichnen. Die Polizei kennt dieses Verhalten sehr gut von Geiselnahmen. Amerikaner erinnern sich an den Fall von Patty Hearst, einem jungen Mädchen aus reichem Hause, die 1974 von einer wirren Terrorgruppe entführt wurde. Im Laufe ihrer Geiselhaft wurde sie selbst zu einer überzeugten Anhängerin dieser Gruppe und führte später Raubüberfälle für sie durch. Durch das blosse Erlebnis der Gewalt wurde sie gewissermassen umgepolt, nahm den Standpunkt ihrer Entführer an. Die Identifikation mit dem Aggressor ist aber nicht auf Geiselnahme beschränkt, sondern wird bei allen Formen von angedrohter oder tatsächlich ausgeübter Gewalt wirksam, und vor allem geht sie über ein bloss erpresstes Verhalten weit hinaus. Das gewünschte Verhalten wird nicht bloss widerwillig ausgeführt, sondern begeistert, von ganzem Herzen und voller Faszination. Dank des Mechanismus der Identifikation mit dem Aggressor wird gewissermassen die ganze Individualität erobert.

Dies ist nur ein Sonderfall der leider allgemeingültigen Regel: Gewalt ist sexy. Immer wieder fühlen sich Frauen zu verurteilten Schwerverbrechern hingezogen, schreiben Liebesbriefe an Mörder, Vergewaltiger oder Bankräuber. In deutschen Gefängnissen gehört dieses Psycho-Phänomen zum Alltag. [6a] Dies gilt in besonderem Masse und gerade für Jugendliche, wenn die Gewalt mit einer Opposition zu den tragenden Werten der Gesellschaft verknüpft ist. Das bedeutet: Gerade die Blutspur des Islam, die mit seiner Praxis verknüpfte Gewalt, nicht nur in Form von einzelnen Terroranschlägen, sondern auch als institutionalisierter Terror in Ländern wie Saudi-Arabien, Afghanistan, Iran, der einem freiheitsliebenden Menschen im Westen das Blut in den Adern gefrieren lässt, wirkt nicht allein durch die implizit vorhandene Drohung, indem vorauseilend Freiheitsrechte beschnitten werden, sobald als Folge ihrer Ausübung muslimischer Terror zu erwarten ist; darüber noch hinausgehend ist es gerade die Gewalt, die den Islam für viele Menschen im Westen attraktiv macht. Vielen jungen Menschen, die heute im Westen zum Islam konvertieren, wird allerdings ein böses Erwachen blühen. Denn der Weg zurück ist versperrt: auf die Konversion zur nächsten Modereligion in einigen Jahren steht die Todesstrafe! Den Konvertiten zum Islam steht eine ähnlich harte Landung bevor wie den westlichen Frauen, die sich in eine Beziehung mit einem Muslim begeben haben und deren erschütternde Geschichten auf der Website des Bezness Forums gesammelt wurden.

Der amerikanische Islamkritiker Robert Spencer macht sich die Mühe, die im Auftrag des Islam seit dem 11. September begangenen Terroranschläge laufend zu dokumentieren. Er kommt (Stand Februar 2011) auf die gewaltige Zahl von 16.800 tödlichen Anschlägen seit dem 11. September 2001. Das heisst, der Islam forderte in einem Zeitraum von knapp zehn Jahren weit über zehnmal mehr Tote als die spanische Inquisition in ihrer gesamten unseligen 260jährigen Geschichte.[7] Wer diese Zahl bezweifelt, möge die Aufstellungen von Robert Spencer untersuchen, sie unterschätzen meines Erachtens eher die tatsächliche Zahl der Opfer des islamischen Terrors. Angesichts solcher Zahlen kann man nicht mehr, wie es häufig getan wird, von verwirrten Einzeltätern sprechen, von einer Handvoll Geisteskranker, sondern muss sich der Tatsache stellen, dass es sich bei diesen Morden um ein strukturelles, dem Islam inhärentes Phänomen handelt. Auch kann man nicht sagen, dass die Täter den Koran nur falsch interpretieren, denn die im Koran enthaltenen Aufrufe zur Ermordung von Nichtgläubigen und Andersgläubigen lassen praktisch keinen Spielraum für unterschiedliche Deutungen.[8]

Ein üblicher Verschleierungsversuch ist es, die im Namen des Islam begangenen hässlichen Praktiken nicht dem Islam selbst, sondern den sogenannten Islamisten zuzuschreiben. Der Islamist sei der Schlimme, der die an sich friedliche Religion des Islam in ihr Gegenteil verkehre und zu einem Mordinstrument mache. Der Islam habe mit diesen schrecklichen Dingen überhaupt nichts zu tun, sei er doch in Wahrheit die "Religion des Friedens" (wofür die Ähnlichkeit der Wörter salam, Frieden, und islam, das Sich-Unterwerfen, herangezogen wird). Wenn das stimmt, ginge es nur darum, die kleine Gruppe der "Islamisten", die den Islam pervertieren, ausfindig und unschädlich zu machen – eine Aufgabe, die man bequem an Geheimdienste und Sicherheitsorgane delegieren kann, ohne dass ein eigener persönlicher Einsatz nötig wäre. Eine schöne Lösung.

Das Problem dabei ist nur: Die Trennung von Islam und Islamismus oder "islamischem Fundamentalismus" ist eine künstliche. Selbst Muslime wie der türkische Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan (der im Westen ironischerweise selbst als "moderater Muslim" geführt wird) verwahren sich dagegen [9]:

Diese Bezeichnungen [moderater Islam / Islamismus, RP] sind sehr hässlich, es ist anstössig und eine Beleidigung unserer Religion. Es gibt keinen moderaten oder nicht-moderaten Islam. Islam ist Islam, und damit hat es sich... Unsere Religion ist ohne Fehler.


In der Tat kann der Fundamentalismus an sich niemals das Problem sein, sondern nur dasjenige, auf das der Fundamentalismus angewendet wird. Ein Fundamentalist ist bloss jemand, der seinen Glauben besonders ernst nimmt, ihn besonders genau und streng anwendet und kein anderes Kriterium als seinen Glauben gelten lassen möchte. Der Fundamentalist ist demnach nicht an sich gefährlich: Es kommt darauf an, an was er glaubt! Ein fundamentalistischer Buddhist mag sich in die Berge zurückziehen und radikal nach Erleuchtung streben. Eine Gefahr für die Gesellschaft geht von ihm sicher nicht aus. Ein fundamentalistischer Muslim dagegen strebt danach, das "Haus des Islam" zu vergrössern und im religiösen Kampf (Dschihad) möglichst viele Ungläubige zu töten. Das Problem liegt folglich nicht im Fundamentalismus an sich, sondern in dessen Bezugsobjekt - hier also: im Islam selbst. Es wird durch die Menschen offenbar, die den Islam ernstnehmen, weil diese die Inhalte ihrer Religion am deutlichsten zum Ausdruck bringen.

An dieser Stelle folgt meist der Hinweis auf die 1.6 Milliarden Muslime, die allein aufgrund ihrer hohen Zahl doch nicht alle Terroristen sein können! Das ist ohne Zweifel wahr: Es gibt Muslime, die darauf verzichten, den bewaffneten Kampf gegen die Ungläubigen auszuüben. Es gibt Muslime, die für sich privat nur Teile des Korans und der Überlieferung gelten lassen. Es gibt auch Muslime, die den Koran schlechter kennen als ein durchschnittlicher Islamkritiker – so wie es Christen gibt, die nicht wissen, was eigentlich zu Ostern gefeiert wird. Es gibt Muslime, die nur qua Geburt Muslime sind und sich eigentlich überhaupt nicht um ihren Glauben scheren. Es gibt Muslime, die nur ein paar ihrer religiösen Pflichten einhalten, ihren Glauben äusserst lax praktizieren. Gott sei Dank ist das so.

Aber, umgekehrt gefragt: Warum sind alle Selbstmordattentäter, mit denen wir heute konfrontiert sind, muslimischen Glaubens? Wenn uns die vielen, aus Hass, Rache und Clandenken verübten Gewalttaten von Muslimen immer als Taten von verirrten Einzeltätern präsentiert werden, die den Koran nur falsch verstanden haben: Wo sind dann die Selbstmordattentate, Ehrenmorde, Genitalverstümmlungen, Zwangsverheiratungen von Buddhisten, von Christen, von Baha'i, von Atheisten, die ihren Glauben nur falsch verstanden haben? Warum gibt es sie fast ausschliesslich unter Muslimen, die "wirren Einzeltäter", die "Den-Glauben-bloss-falsch-Versteher"? Diese Frage bleibt beim Erklärungsmuster des "wirren Einzeltäters" rätselhaft, ja unlogisch.

Manfred Kleine-Hartlage hat diesen Umkehrschluss einmal durchdekliniert (Hervorhebungen von mir). Zwar ist die grosse Mehrheit der Muslime friedlich, das ist unbestritten – aber [10]:

Wenn eine junge Frau auf offener Strasse von ihrem eigenen Bruder erschossen wird, darf man getrost hohe Summen darauf verwetten, dass beide aus einer muslimischen Familie stammen. Wenn einer Geisel vor laufender Kamera die Kehle durchgeschnitten wird, wird der Täter Muslim sein. Wer von "deutschen (englischen, schwedischen) Schlampen" redet, ist Muslim. Wer "mehr Respekt" für sich und seine Gemeinschaft einfordert, ist Muslim. Wer sich und andere mit einem Dynamitgürtel in die Luft sprengt, einen solchen Mörder zum "Märtyrer" erklärt, das Wort "Ungläubige" benutzt, seine Tochter nicht schwimmen lernen lässt, sie stattdessen lehrt, Gott befehle die Tötung von Juden, ist Muslim. Länder, in denen vergewaltigte Frauen wegen "Ehebruchs" ins Gefängnis geworfen werden, sind islamisch. Länder, in denen die Bibel nicht verkauft werden darf, wohl aber die "Protokolle der Weisen vom Zion", sind islamisch. Länder, in denen Homosexuelle an Baukränen aufgehängt werden, sind islamisch. Länder, in denen gesteinigt wird, sind islamisch.


"Wirre Einzeltäter" müssten nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit unter allen möglichen Glaubensgemeinschaften auftreten. De facto aber konzentrieren sich die aufgeführten Praktiken auf Muslime. Die m.E. einzig logische Erklärung ist: Diese Praktiken leiten sich aus den Lehren des Islam ab, und nicht etwa aus denen der Baha'i, Christen, Buddhisten etc. Es ist also etwas Besonderes um den Islam, das ihn von anderen Bekenntnissen unterscheidet. Diesen Unterschied gilt es wahrzunehmen und herauszuarbeiten, statt ihn zu verschleiern oder wegzudiskutieren.

Im Westen besteht allerdings ein politisches, praktisches Interesse daran, den Unterschied des Islam von anderen Religionen wegzudiskutieren und alle konkreten Glaubensbekenntnisse einander gleichzumachen. Man tut niemandem weh, wenn man die Religionen alle als gleich behandelt und diese Unterschiede ignoriert, und man muss sich nicht Konsequenzen stellen, die gerade aus den Unterschieden der Religionen resultieren könnten.

Eines sollte aber klar sein: Durch Wegschauen dient man einem faulen Frieden und arbeitet selbst an der Zementierung der Ungerechtigkeiten mit, macht sich mitschuldig. Vielmehr ist es nötig, die problematischen Sachverhalte klar auszusprechen: Genau so kann man das Denken öffnen: Durch ehrlichen, offenen Dialog. Vielleicht fliessen Tränen dabei, aber kein Blut (Ayaan Hirsi Ali, [11]). Das Verschweigen unangenehmer Tatsachen kann sich nicht auf die Toleranz berufen, sondern ist genau besehen nichts als Feigheit: Furcht vor den praktischen Konsequenzen, die aus diesen unangenehmen Tatsachen abzuleiten wären. Das Ideal der Toleranz würde es in Wahrheit erfordern, gerade besonders genau hinzusehen. Toleranz hat keine Augenbinde auf, sondern nimmt die Verschiedenheiten wahr.

Auch kann Toleranz niemals gegenüber der Intoleranz geübt werden, auf Strafe ihres Untergangs. Toleranz kann nur dann wirken, wenn das nackte Recht des Stärkeren ausgehebelt ist, wenn die Ausübung bürgerlicher Grundrechte wie der freien Meinungsäusserung nicht durch Gewalt oder die blosse Drohung von Gewalt verhindert werden kann. Dies ist nicht erst seit Sir Karl R. Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" Gemeingut, sondern seit dem 18. Jahrhundert, seit dem Bestehen moderner, aufgeklärter, demokratischer Gesellschaften.[12] Sie könnten gar nicht bis heute bestanden haben, ohne sich gegen ihre äusseren und inneren Feinde zu wehren.

In Gesprächen höre ich oft: Judentum und Christentum seien doch grundsätzlich dem Islam ähnlich. Das glauben Westeuropäer, die alle Kulturen als grundsätzlich gleichwertig betrachten wollen und dafür bereit sind, schmerzhafte Unterschiede zu ignorieren oder mit leicht durchschaubaren Argumenten zu verleugnen. Den Frieden der Religionen, den sie sich so sehnlich wünschen, versuchen sie also dadurch herzustellen, dass sie vor den Tatsachen, die diesen Frieden bedrohen oder verhindern, die Augen verschliessen. Das Problem mit den Leuten aus dem Westen ist nicht, dass sie den Islam nicht verstehen. Ihr Problem ist, dass sie den Islam nicht verstehen wollen, klagte schon Wafa Sultan.[13]

Muslime selbst kennen dagegen den wesentlichen Unterschied ihrer Religion zum Christentum und Judentum sehr genau. Schon im 14. Jahrhundert präzisierte der islamische Gelehrte Ibn Khaldun (1332 – 1406) in seiner "Muqaddima" [14],

das Judentum sei zwar fähig, sich politisch im Diesseits zu behaupten, doch es habe keinen universalen Anspruch, umgekehrt habe das Christentum zwar einen universalen Anspruch, doch es verfolge ihn nicht mit politischen und militärischen Mitteln. Der Islam sei beiden Religionen überlegen, weil er beides vereine: "Im Islam ist der Djihad (der Heilige Krieg) gesetzlich vorgeschrieben, weil er einen universalen Auftrag hat und gehalten ist, die gesamte Menschheit freiwillig oder gezwungen zur Religion des Islams zu bekehren".


Ibn Khaldun weist hiermit auf einen ganz wesentlichen Unterschied des Islam zum Christentum und zum Judentum hin: Der Islam verlangt, die ganze Welt unter sein Gesetz zu stellen, freiwillig oder gezwungen – und das bedeutet natürlich: nur gezwungen, denn eine Entscheidung kann nicht frei sein, wenn sie von der Drohung des Zwangs begleitet ist. Die Endperspektive ist die totale islamische Herrschaft: Und kämpft gegen sie, damit keine Verführung mehr stattfinden kann, und kämpft, bis sämtliche Verehrung auf Allah allein gerichtet ist. Stehen sie jedoch vom Unglauben ab, dann, wahrlich, sieht Allah sehr wohl, was sie tun. (Sure 8,39). Dies ist offensichtlich kein theologischer Lehrsatz, sondern eine konkrete, ganz weltlich zu nehmende Handlungsaufforderung. Hierzu wird die Welt von Muslimen in zwei Reiche aufgeteilt: Das Dar al-Islam, das Haus des Islam, in dem dieser bereits Staatsreligion und die Scharia gültiges Recht ist, und das Dar al-Harb, das Haus des Krieges, d.h. die noch nicht vom Islam beherrschten Teile der Welt. Zu den Verhaltensregeln für Muslime gehört es eigentlich, sich nicht im Haus des Krieges niederzulassen. Wenn sie sich doch ins Haus des Krieges begeben, so ist ihre Aufgabe, dort den Djihad (wörtlich: Anstrengung - dazu gehören nicht nur kriegerische Akte, sondern alle Arten des Einsatzes für den Islam) zu führen, also der Sache des Islam zum Siege zu verhelfen. Durch diese Normen erweist sich der Islam als eine totalitäre, nach dem globalen Kalifat, also der Weltherrschaft strebende Ideologie.

Ibn Khaldun anerkennt dagegen, durchaus im Einklang mit dem Koran, dass die Juden sehr wohl auch diesseitig denken und handeln und ihre Religion auch militärisch zu verteidigen wissen. Der universale Anspruch, wie ihn der Islam hegt, die eigene Religion zur Religion der ganzen Welt zu machen, ist dem Judentum dagegen fremd. Man könnte hinzufügen, dass es in der Geschichte auch Kriege gab, die den Juden gemäss der Bibel von Gott befohlen wurden, etwa den Eroberungszug gegen die Kanaaniten (Dtn 20,16-18 und Jos 10,40). Dies waren aber zeitlich und räumlich begrenzte Kriege. Der universale Anspruch fehlt – und das ist ein wichtiger Unterschied, wie schon Ibn Khaldun erkannte und woraus er die Überlegenheit des Islam ableitete.

Das Christentum dagegen hat sehr wohl den universalen Anspruch: Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe! Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Mt 28,19-20). Es ist aber ein Anspruch der Mission, der Verkündigung. Ibn Khaldun weiss richtig, dass das Christentum nicht gebietet, diesen Anspruch mit politischen und militärischen Mitteln zu verfolgen. Das Christentum trennt nämlich die weltlichen und geistlichen Dinge: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist (Mt 22,21), und gerade der Kerngehalt der christlichen Lehre hat keine konkreten weltlichen Implikationen, sondern betrifft den Menschen als spirituelles Wesen und eine transzendente, wenn auch in diese Welt hineinleuchtende Ordnung (das "Reich Gottes" oder Himmelreich). Als Religion hätte das Christentum allerdings nicht überlebt, wenn sich die Gemeinschaft der an Christus Glaubenden, also die Kirche, nicht auch weltlich formiert hätte, zu einer Institution dieser Welt geworden wäre. Diese Institution befindet sich in einem permanenten Spannungsverhältnis zu der Botschaft, zu deren Schutz, Erhaltung und Verbreitung sie angetreten ist. Das kann gar nicht anders sein, denn eine Institution, die dem Bösen keinen Widerstand (Mt 5,39) leistete, bedingungslos ihre Feinde liebte (Mt 5,44) und nicht richtete, auf dass sie nicht gerichtet werde (Mt 7,1), könnte in dieser Welt nicht lange bestehen.

Der fundamentale Unterschied des Christentums zum Islam wird in einem "Exkurs" von Manfred Kleine-Hartlage sehr schön herausgearbeitet.[15] Schon das Welt- und Menschenbild unterscheidet sich grundlegend. Der Islam bejaht die Welt in der Form, wie sie vorgefunden wird. Für ihn ist der gläubige Mensch so, wie er ist, ein Instrument Allahs. Es gibt keine grundlegende Kritik an dieser Welt. Diese Welt ist Allahs Schöpfung, die gesamte vorgefundene Welt- und Geselllschaftsordnung ist Teil von Allahs Wille. Das macht den Islam extrem konservativ: Zur Zeit Mohammeds gab es Sklaverei, Polygamie, Beschneidung von Frauen, beduinische Raubzüge, Clan- und Gewaltherrschaft an Stelle garantierter Rechte für alle. Allah/Mohammed bejaht und legitimiert all diese Praktiken, er hat an keiner etwas auszusetzen, solange sie im Rahmen der Umma, der muslimischen Gemeinschaft ausgeübt wird. Der Islam ist dieser Welt gegenüber affirmativ eingestellt. Zwar kennt auch der Islam die jenseitige Welt, den Himmel. Aber bereits das Diesseits ist von Allah in seiner Grundstruktur genau so gewollt, wie es ist. Der Muslim kann sich in dieser Welt als verlängerter Arm Allahs fühlen. Mit dem Koran hat er eine göttliche Wegleitung in der Hand, die einfach formuliert und nicht interpretationsbedürftig ist (Sure 2,2). Indem sich der Muslim Allah unterwirft (was der Wortsinn von "Islam" ist), wird er zum Teil der Gemeinschaft der Gläubigen in dieser Welt, der besten Gemeinde, die je für die Menschen entstand. Ihr gebietet das, was Rechtens ist, und ihr verbietet das Unrecht. (Sure 3,110). Er darf sich also durch seine Teilhabe an der Umma dem Rest der Menschheit überlegen fühlen und geniesst gegenüber den beiden anderen Klassen von Menschen, den Dhimmis und den Ungläubigen, dank der Scharia Sonderrechte (eingeschlossen das Recht, Gewalt gegenüber diesen auszuüben).

Das Christentum ist grundsätzlich anders: Der Christ leidet an der Welt und in ihr. Für das Christentum ist die Welt, wie sie ist, aus der Ordnung Gottes herausgefallen. Sie ist nicht mehr in ihrem ursprünglichen, heiligen, ganzen Zustand – sondern krank. Zwar deutet alles in ihr noch auf den reinen, unverfälschten Ursprung. Aber dieser Ursprung ging durch eine Art historischer, universal-menschheitlicher Katastrophe verloren: den "Sündenfall". Der Mensch kennt nur noch die Sehnsucht nach dem "verlorenen Paradies", und die Dinge dieser Welt erinnern ihn daran. Aber in ihrer konkreten Gestalt enthalten sie so viel Ungöttliches, ja Widergöttliches, dass sich eine affirmative Haltung zur Welt für den Christen verbietet. Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt (Jo 18:36), und alle Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott (1. Kor. 1,20). Der Mensch hat durch die Nachfolge Christi eine metaphysische Perspektive auf die Wiederherstellung einer ursprünglichen göttlichen Ordnung, denn Christus ist das Licht (Jo 8,12), das in diese Welt hineinleuchtet, um sie in der von Gott gewollten Ordnung auferstehen zu lassen – und Christus ist als neuer Adam der erste, der diesen Weg gegangen ist (Röm 5,12-15). Der Christ kann daher in seinem Handeln nie ganz in dieser Welt aufgehen – es bleibt immer ein Rest, ein Vorbehalt. In der Konsequenz bejaht das Christentum seinem ganzen Wesen nach das Säkularitätsprinzip, die Trennung der weltlichen von der göttlichen Ordnung. Für den Christen gilt der bereits zitierte, wichtige Grundsatz: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist (Mk 12,13). Weder das Aufbegehren gegen die gesellschaftliche Ordnung um einer besseren Ordnung willen [15a], noch die vollständige Eingliederung in ein gesellschaftliches System, können Sache des Christen sein. Er lebt in der Welt, ist aber als Geistwesen zugleich dieser Welt enthoben. Partei nehmen für eine weltliche Sache – das ist etwas, worin er nie ganz aufgehen kann. Jesus, der Sohn Gottes und zugleich irdischer Mensch, vereinte in sich die beiden Ordnungen. Aber sein ganzes Leben zeigt, welche Präferenzen er setzte: Er lebte in den niederen, wenig geachteten Gesellschaftsschichten und starb - aus Liebe zu den Menschen - den schmählichen Tod am Kreuz, den Tod eines Verbrechers – und dies, obwohl er niemals zur Gewalt aufgerufen hatte. Da dies muslimischem Welt- und Religionsverständnis fundamental entgegenläuft, verleugnet Mohammed/Allah in Sure 4,157 den Kreuzestod Jesu und hängt stattdessen der gnostischen Lehre an, "ein anderer" sei an Jesu Stelle gekreuzigt worden.

Nun ist aber gerade der Kreuzestod Jesu eines der zentralen Elemente des christlichen Glaubens, ohne den auch die Perspektive der Heilung, des wiederhergestellten Lebens in der Auferstehung undenkbar wäre. Der Bischof Melito von Sardes – er lebte im 2. Jahrhundert, als auch die heidnischen Mysterien noch verbreitet waren – beschreibt dieses "neue Mysterium" [16]:

Die Natur erschauderte und sprach erstaunt:
Was ist dies für ein neues Mysterium?

Der Richter wird gerichtet und verhält sich ruhig,
Der Unsichtbare wird geschaut und scheut sich nicht,
Der Unfassbare wird erfasst und entrüstet sich nicht,
Der Unmessbare wird gemessen und widerstrebt nicht,
Der Leidlose leidet und rächt sich nicht,
Der Unsterbliche stirbt und weigert es nicht.

Was ist dies für ein neues Mysterium?


Wenn Gott sich nach Ansicht der Christen in Gestalt eines in dieser Welt absolut ohnmächtigen Menschen offenbart hat, so kann der Glaube nicht mit Gewalt verbreitet werden, sondern nur auf freier Entscheidung jedes einzelnen basieren. Der Mensch wird durch die Glaubensentscheidung zum Kind Gottes, statt nur ein ausführender Sklave des Gotteswillens zu sein: Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind (Röm 8,14-15). Das ist der Grund, warum gerade die Freiheit ein wichtiges Fundament des christlichen Glaubens ist.

Die Kirche als durchaus weltliche Institution steht, wie erwähnt, in einem Spannungsverhältnis zu der radikal unpolitischen Botschaft Jesu, zu deren Schutz und Überlieferung sie ja eigentlich existiert. Als weltliche Gemeinschaft wird die Kirche angreifbar, fehlerhaft, irdisch und kann natürlich auch von Christen im Namen der christlichen Botschaft angegriffen werden. Wie viel weltliche Macht gerade noch ausgeübt werden darf und kann, um die christliche Botschaft und Gemeinschaft vor dem Untergang zu bewahren, der aus einer konsequenten Realisierung der zentralen christlichen Lehren resultieren würde, war Gegenstand eines lang andauernden Kampfes zwischen kirchlicher und weltlicher Macht. So ist die Geschichte der Kirche auch eine Geschichte von Glaubensspaltungen und Schismen, die in der Reformation als einem vorläufigen Höhepunkt gipfelten.

Es ist eine verbreitete, aber falsche Auffassung, dass die Aufklärung eine reine Gegenbewegung zum Christentum war. Auf einer oberflächlichen Ebene ist das richtig, denn einige Aufklärer stellten sich energisch gegen Kirche und Christentum, und unbestritten gab es auch von kirchlicher Seite heftigen Widerstand gegen die Aufklärung. Das ist aber nicht entscheidend. In ihrem Kern sind die Grundwerte der Aufklärung nämlich nichts anderes als transformierte, säkularisierte christliche Werte. Die Aufklärung hat auf keinem anderen Boden entstehen können als dem des christlichen Abendlandes. Werte, mit denen ein moderner Atheist oder Agnostiker lebt, leiten sich teilweise direkt aus christlichen Normen ab. Zu solchen, direkt aus dem Christentum hervorgehenden Normen zählen: das soziale Element der Hinwendung zu den Schwachen, das Verbot zu richten, das Liebesgebot inclusive der Feindesliebe, sowie rückbezügliche Normen in Form einer für alle Menschen, nicht nur für die Angehörigen des eigenen Glaubens, gültigen Goldenen Regel: Alles nun, was ihr wollet, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen (Mt 7,12).[17]

Ob wir wollen oder nicht, ob wir uns als Christen verstehen oder nicht: Die rückbezüglichen Normen des Christentums sind uns in Fleisch und Blut übergegangen, wir können gar nicht mehr (oder nur mit grösster Mühe) aus ihnen heraustreten. Beispielsweise sind aktuelle Ideologien wie der Kulturrelativismus nichts anderes als die verinnerlichte christliche Norm: Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet (Mt 7,1). Die Kritik an jemand anderem oder an einer Gruppe, der wir nicht angehören, verursacht dem Abendländer einen inneren Schmerz. Er ist darauf abgerichtet, Kritik sofort mit Selbstkritik zu relativieren und das, was er dem anderen aufgeben will, zuerst einmal und besonders streng sich selbst aufzugeben.

Das ist eine wunderbare Norm – die jedoch nur solange funktionieren kann, wie auch das Gegenüber sie verinnerlicht hat. Jemand, der diese Norm nicht kennt, erlebt die radikal auf sich selbst zurückgeworfene Kritik als Selbsterniedrigung, als Zugeständnis der eigenen Minderwertigkeit. Im Falle des Islam wirkt also unser ständiges reflektierendes Zaudern, unser skrupulöses Haften an der Rechtsstaatlichkeit, die permanente Selbstkritik, die laute Anprangerung selbst geringfügiger Vergehen gegen garantierte Grundrechte, das Zulassen radikaler Kritik um der Meinungsfreiheit willen, das schonungslose Aussprechen von eigenen Misständen, nur in einem Sinne: Als Selbsteingeständnis der Minderwertigkeit unserer Kultur. Da dies vollständig mit dem Bild konform ist, das der Islam sowieso von der christlich-jüdischen Kultur zeichnet, so dass Muslime sich ermuntert sehen, für ihre eigene Kultur offensiver einzutreten, erweisen sich genau die Normen mit relativierendem Rückbezug, deren Umsetzung in Form von freiheitlichen Gesellschaftsordnungen die bislang grösste Errungenschaft der Menschheit darstellt, als die eigentliche Achillesferse unserer gesamten abendländischen Zivilisation.




[1] Wafa Sultan: In ihrer glasklaren, auf Al-Jazira ausgestrahlten Stellungnahme die mittlerweile zu einem Klassiker avanciert ist, begründet sie, dass der Konflikt nicht, wie Samuel P. Huntington meint, ein "Kampf der Zivilisationen" sei: denn Zivilisation kämpfen nicht, sie wetteifern. Vielmehr seien wir Zeugen eines Kampfes der Barbarei gegen die Zivilisation.
[2] Ayaan Hirsi Ali, Ich bin eine Nomadin, Piper Verlag, München 2010, S. 13. Zur Ableitung von Gewalt und Mord gegen Ungläubige siehe auch Fussnoten [4] und [8].
[3] Die Apostasie ist laut Koran das Allerschlimmste, was ein Muslim tun kann, und er wird dafür für immer verflucht sein (Sure 4, 137). Siehe auch Sure 16,106 und Sure 4,36ff. sowie 9,68. Ein informatives Gutachten hierzu liefert Christine Schirrmacher auf http://www.igfm.de/Wenn-Muslime-Christen-werden-Glaubensabfall-und-Todesstrafe-im.466.0.html
[4] Auch dieses Koranzitat fand sich auf dem an das Opfer gehefteten Zettel, siehe http://widerworte.wordpress.com/2010/09/17/gewaltaufrufe-im-koran/.
[5] André Glasmacher, Angst vor dem strafenden Islam, Tagesspiegel vom 21.4.2007, http://www.tagesspiegel.de/berlin/angst-vor-dem-strafenden-islam/v_default,837238.html
[5a] Bat Ye'or, Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam, Resch Verlag, Gräfelfing 2005.
[6] Ayaan Hirsi Ali, a.a.O., S. 277.
[6a] Die Faszination des Abscheulichen, Bild online vom 14.4.2010. Die sogenannten Serial Killer Groupies (SKG) sind Gegenstand kriminalpsychologischer Untersuchungen (siehe http://www.trutv.com/library/crime/criminal_mind/psychology/s_k_groupies/4.html).
[7] Robert Spencer, Anschläge im Namen Allahs seit dem 11. September 2001, http://therelegionofpeace.com. Zu den Todesopfern der spanischen Inquisition, siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Spanish_Inquisition#Death_tolls
[8] Es genügt, wenn - im Rahmen einer Arbeitsteilung - auch nur ein Teil der Muslime sich für die konkrete Umsetzung der insgesamt 206 Koranstellen zuständig fühlt, die explizit zur Gewalt gegen Ungläubige aufrufen (eine Auflistung dieser Stellen enthält z.B. die Webseite http://www.koran.terror.ms/) – solange sie von der restlichen Umma nicht klar bekämpft werden, wird so ein Klima der Angst geschaffen, des Appeasement und der Erpressung, wie es sich vor unseren Augen tatsächlich entfaltet. Seine "Fatwa" von 1998 zur Rechtfertigung des Terrorismus gegen Amerika gründet Bin Laden unter anderem auf Sure 9,5: "Und wenn die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf." (http://www.mideastweb.org/osamabinladen2.htm).
[9] Erdogan, zitiert in der Zeitung Milliyet vom 21.8.2007. Siehe http://www.politik.de/forum/religion/212757-ministerpraesident.html
[10] Manfred Kleine-Hartlage, Das Dschihad-System. Wie der Islam funktioniert. S.9.
[11] Ayaan Hirsi Ali, a.a.O., S. 268.
[12] Karl R. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Zwei Bände, Francke Verlag, Tübingen 1980.
[13] Wafa Sultan, Interview in der Helen Glover Show vom 12.3.09.
[14] Ibn Khaldun, Muqaddima. Zitiert aus http://koptisch.wordpress.com/2010/09/17/die-grunde-fur-die-christlichen-kreuzzuge/
[15] Manfred Kleine-Hartlage, a.a.O. Exkurs: Warum das Christentum mit der Moderne vereinbar ist, der Islam aber nicht, S.135-146.
[15a] Der Umsturz der Ordnung, in der er lebt, ist nicht Sache des Christen - wohl aber der Kampf gegen Unrecht. Beispielsweise bekämpften Christen schon in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten die Sklaverei, weil sie ihrem Grundsatz der Gleichheit der Menschen vor Gott widerspricht (während es im Islam nie einen nennenswerten Widerstand gegen die Sklaverei gab und in vielen islamischen Ländern die Sklaverei erst durch die Kolonialherren abgeschafft wurde). Siehe hierzu Egon Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, Beck Verlag, München 2009, S. 199ff.
[16] Melito von Sardes, zitiert aus http://www.kathsurf.at/gebete/vorfahren/vorfahren.html#Ein neues Mysterium
[17] Im Gegensatz zum Christentum kennt der Islam keine universale, für alle Menschen gültige Goldene Regel. Im Koran kommt eine Goldene Regel überhaupt nicht vor. Im Gegenteil ist die Aufteilung der Menschen in Höherwertige (Muslime) und Minderwertige (Dhimmis, Ungläubige) ein klarer Verstoss gegen die Goldene Regel, die sich durch den ganzen Koran und natürlich die Scharia zieht, die sich als Recht der Ungleichbehandlung erweist. Auch die Hadithstelle 1,2,13 lässt sich nicht als Gegenbeweis heranziehen, denn die (saudische) Übersetzung lässt keinen Zweifel, dass diese Regel auf die eigene Glaubensgemeinschaft beschränkt ist, womit ihr gerade das wesentliche Kriterium der universellen Anwendbarkeit fehlt, das die Goldene Regel ausmacht. Die Goldene Regel würde dem Koran und der islamischen Wirklichkeit widersprechen.

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